Das Persönliche Budget in Deutschland: Umsetzungsmodelle und rechtlicher Rahmen
1. 1 Einleitung
Das Persönliche Budget stellt ein innovatives Instrument der Sozialpolitik in Deutschland dar. Es zielt darauf ab, die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohten Personen zu stärken. Anstelle von standardisierten Sachleistungen erhalten Berechtigte finanzielle Mittel, die sie entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen und Vorlieben einsetzen können, um die Unterstützung passgenau an ihre Lebenssituation anzupassen.
Die Höhe des Persönlichen Budgets wird individuell festgelegt – basierend auf dem konkreten Unterstützungsbedarf, dem Umfang der bewilligten Leistungen sowie der Anzahl der benötigten Assistenzstunden. In der Praxis kann der monatliche Betrag zwischen etwa 5.000 und bis zu 35.000 Euro betragen, abhängig von der Intensität des pflegerischen Bedarfs. Der Unterstützungsrahmen reicht von 8 bis 24 Stunden Assistenz pro Tag und umfasst sowohl Teilzeit- als auch Rund-um-die-Uhr-Modelle.
2. Rechtlicher Rahmen des Persönlichen Budgets
Die rechtliche Grundlage des Persönlichen Budgets bildet ein umfassendes Regelwerk innerhalb des deutschen Sozialrechts, insbesondere:
- Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) – regelt die Teilhabe und Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen, einschließlich der Vorschriften zur Gewährung des Persönlichen Budgets (§ 29 SGB IX);
- Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) – bestimmt die Leistungen aus der Pflegeversicherung und definiert Kriterien für die Gewährung von Pflegeleistungen entsprechend dem Pflegegrad;
- Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) – regelt die Sozialhilfe, einschließlich Leistungen für Menschen mit Behinderungen;
- Verordnung zum Persönlichen Budget – legt die Verfahren sowie Anforderungen für Antragstellung, Bewilligung und Abrechnung der Mittel im Rahmen des Persönlichen Budgets fest.
3. Umsetzungsmodelle des Persönlichen Budgets
Berechtigte Personen können zwischen zwei grundlegenden Modellen der Umsetzung wählen, die sich im Hinblick auf Eigenverantwortung und Selbstbestimmung unterscheiden:
3.1. Dienstleistungsmodell
In diesem Modell greift die berechtigte Person auf die Dienste professioneller Anbieter (z. B. Pflegedienste, gemeinnützige Organisationen) zurück, die die Leistungen in ihrem Namen erbringen.
Vorteile:
- Geringer administrativer Aufwand für die leistungsberechtigte Person;
- Stabilität und Kontinuität der Leistungen (z. B. bei Ausfall von Personal);
- Zugang zu fachlicher Unterstützung und Beratung.
3.2. Arbeitgebermodell
In diesem Modell übernimmt die leistungsberechtigte Person selbst die Rolle des Arbeitgebers und stellt Assistenzkräfte direkt ein.
Nachteile:
- Erheblicher administrativer Aufwand (Rekrutierung, Abrechnung, Arbeitgeberpflichten);
- Risiko durch Ausfall von Mitarbeitenden (Notwendigkeit der Organisation von Vertretung);
- Rechtliche Verantwortung für die Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften.
4. Antragsverfahren für das Persönliche Budget
Zur Beantragung des Persönlichen Budgets ist ein entsprechender Antrag bei der zuständigen Stelle (z. B. Sozialamt, Krankenkasse) einzureichen. Dem Antrag sind beizufügen:
Identitätsnachweise:
- Personalausweis oder Reisepass;
- Meldebescheinigung.
Medizinische Unterlagen:
- Ärztliche Atteste, Krankenhausentlassungsberichte;
- Gutachten des Medizinischen Dienstes (MDK) zum Pflegebedarf.
Nachweise zur Behinderung:
- Feststellungsbescheid zum Grad der Behinderung;
- Bescheid über bewilligte Pflegeleistungen.
Finanzunterlagen:
- Einkommensnachweise;
- Bankverbindung.
Versicherungsnachweise:
- Nachweis der Krankenversicherung;
- Sozialversicherungsnummer.
Zusätzliche Unterlagen (optional):
- Kopien früherer Verwaltungsentscheidungen;
- Bescheinigungen über Teilnahme an therapeutischen oder rehabilitativen Programmen.
Die vollständige und korrekte Antragstellung ist Voraussetzung für die Leistungsgewährung.
5. Persönliches Budget und Anspruch auf Pflegegeld
Nach § 35a SGB XI verlieren Personen mit Anspruch auf ein Persönliches Budget nicht das Recht auf Pflegegeld. Die Regelung besagt, dass Leistungen nach §§ 36, 37 Abs. 1, §§ 38, 40 Abs. 2 sowie § 41 SGB XI Bestandteil des Persönlichen Budgets sein können. Beim sogenannten Kombinationsleistung-Modell (Kombinationsleistung) wird das Pflegegeld ausschließlich anteilig und in Geldform in das Budget integriert.
Praktische Analyse:
- Das Persönliche Budget integriert das Pflegegeld als Teil einer ganzheitlichen Leistung;
- Im Falle von Kombinationsleistungen wird nur der Geldanteil (anteiliges Pflegegeld) im Budget berücksichtigt;
- Das Pflegegeld entfällt nicht, sondern wird in einer anderen Form – als Bestandteil des Budgets – ausgezahlt;
- Die Leistungserbringung muss den Anforderungen des SGB XI entsprechen; die Einhaltung wird von der zuständigen Behörde überwacht.
6. Fazit
Das Persönliche Budget in Deutschland stellt ein flexibles und modernes Instrument zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen dar, das ihnen ermöglicht, ihr Leben eigenständig zu gestalten. Je nach gewähltem Umsetzungsmodell können die Leistungsberechtigten die Unterstützungsform individuell anpassen. Wichtig ist dabei, dass nach aktueller Rechtslage der Bezug des Persönlichen Budgets nicht zum Verlust des Anspruchs auf Pflegegeld führt – vielmehr wird dieses als integraler Bestandteil in das Budget eingebunden.